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Essen und Recht

Moderner Pranger oder wirksamer Verbraucherschutz? – die erste Lebensmittelüberwachungsbehörde veröffentlicht Kontrollergebnis

Am 24.09.2012 war es so weit. Das Landratsamt Bodenseekreis hat als erste Behörde ein negatives Ergebnis der Kontrollen der amtlichen Lebensmittelüberwachung veröffentlicht. Ein Cafe aus Überlingen feierte so traurige Premiere. Laut dem Bericht der Lebensmittelüberwachung haben die Kontrolleure am 03.09.2012 ekelerregende Lagerung von Lebensmitteln, in Verkehr bringen von nicht zum Verzehr geeigneten Lebensmitteln sowie Mängel bei der Schädlingsbekämpfung festgestellt und beanstandet. Dies allein mag noch nicht eine Meldung wert sein. Bereits seit vielen Jahren berichten Lebensmittelkontrolleure, teilweise begleitet sogar von Fernsehteams über schwarze Schafe in der Gastronomie. Vollkommen neu ist jedoch, dass der betroffene Betrieb namentlich mit Adresse sowie Angabe des Betreibers und des beanstandeten Sachverhalts veröffentlicht wird.

Die Pflicht zur Veröffentlichung dieser Informationen hat der Gesetzgeber mit der seit dem 01.09.2012 geltenden Änderung des Lebensmittelbedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) aufgestellt. Nach § 40 Abs. 1a LFGB sind die zuständigen Behörden verpflichtet, bei hinreichendem Verdacht die Verbraucher unter Namensnennung des Verantwortlichen unter anderem über Verstöße gegen Hygienevorschriften oder Vorschriften, die dem Gesundheits- oder Täuschungsschutz dienen und bei denen ein Bußgeld von über 350,00 € zu erwarten ist, zu informieren.

Diese Verfahrenspraxis stellt eine Neuerung dar, welche unserer Rechtsordnung bisher an sich fremd war. Die Veröffentlichung der Kontrollergebnisse ohne rechtskräftige Ahndung, sei es durch einen rechtskräftigen Bußgeldbescheid oder entsprechende Verurteilung des zuständigen Bußgeldrichters birgt die Gefahr, dass hier vorschnell Betriebe in der öffentlichen Meinung an den Pranger gestellt werden, obwohl der jeweilige Betroffene selbstverständlich noch die Möglichkeit hat, sich gegen die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zur Wehr zu setzen. Die Neufassung des Gesetzes lässt es ausdrücklich genügen, dass ein hinreichend begründeter Verdacht gegen den Betrieb und den Verantwortlichen besteht. Der Betroffene muss vor der Veröffentlichung lediglich angehört werden.

Mit Spannung darf jetzt das erste Verfahren erwartet werden, bei welchem sich die Vorwürfe im Rahmen eines Gerichtsverfahrens nicht bewahrheiten und es zu einem Freispruch kommt. Das Gesetz sieht direkt keine Regelung für diesen Fall vor. Ob eine Behörde dann die Veröffentlichung zurücknehmen oder gar berichtigen muss, bleibt abzuwarten.

Betroffenen Gastronomen ist anzuraten, dass sie bereits im Verfahrensstadium der Anhörung sich entsprechenden Rechtsrat einholen um eventuell ungerechtfertigte Veröffentlichungen zu vermeiden.

Aus Sicht der Verbraucher ist die neue Veröffentlichungspraxis zu begrüßen. Sie versetzt den Verbraucher mehr denn je in die Lage, eine bewusste Entscheidung darüber zu treffen, in welchem Betrieb er Lebensmittel kaufen möchte bzw. in welchem Betrieb er speist. “Diese Veröffentlichung ist kein Pranger, sondern eine Entscheidungshilfe für den Verbraucher, wo und bei wem sie ihre Lebensmittel kaufen wollen“ erklärt hierzu auch der Bundesvorsitzende der Lebensmittelkontrolleure in Deutschland (BVLK), Herr Martin Müller.

Ob dies von den betroffenen Gastronomen ebenso empfunden wird, darf aber wohl zu Recht bezweifelt werden.

Rechtsanwalt Pablo Blessing