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Essen und Recht

Warum es um den Verbraucher vielleicht doch nicht ganz so schlimm bestellt ist, oder: Das Urteil des BGH vom 09.10.2014

Ein alkoholisches Mischgetränk darf weiterhin die Bezeichnung „ENERGY & VODKA“ tragen. Das hat der Bundesgerichtshof in einem aktuellen Urteil vom 09.10.2014, Az. I ZR 167/12, entschieden (vgl. Pressemitteilung Nr. 141/2014).

Die Beklagte vertreibt verschiedene Getränke unterschiedlicher Marken, darunter Mischgetränke, die aus Wodka und einem weiteren Bestandteil bestehen. Streitgegenständlich ist ein als „ENERGY & VODKA“ bezeichnetes Mischgetränk, das zu 26,7 % aus Wodka und zu 73,3 % aus einem koffeinhaltigen Erfrischungsgetränk besteht und somit einen Alkoholgehalt von 10 % aufweist.

Der Kläger, der Schutzverband der Spirituosen-Industrie e.V., wandte sich nun mit seiner Klage gegen die Bezeichnung des Getränkes und begehrte Unterlassung. „ENERGY & VODKA“ sei eine „nährwertbezogene Angabe“ im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 der Verordnung (EG) 1924/2006, der sog. „Health-Claims-Verordnung“, und verstoße damit gegen Art. 4 Abs. 3 Unterabsatz 2 dieser Verordnung.

(Danach dürfen Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 % nur nährwertbezogene Angaben tragen, die sich u.a. auf einen geringeren Alkoholgehalt oder eine Reduzierung des Alkoholgehaltes beziehen.)

Nach Ansicht des Berufungsgerichts suggeriere die Bezeichnung einem Verbraucher, dass das Getränk besondere positive Nährwerteigenschaften habe. Der Verbraucher denke, das Getränk habe eine anregende, stimulierende Wirkung auf seinen Organismus. Eine solche Angabe sei nun bei einem Getränk mit einem Alkoholgehalt von 10 % unzulässig.

Der Bundesgerichtshof hob nun das vorinstanzliche Urteil auf und bestätigte die Entscheidung des Landgerichtes, welches die Klage abgewiesen hatte.

Nach dessen Ansicht ist die Bezeichnung „ENERGY & VODKA“ noch nicht einmal eine „Angabe“ im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr.1 der „Health-Claims-Verordnung“. Mit dieser werde weder unmittelbar noch mittelbar zum Ausdruck gebracht, dass das Getränk eine besondere Eigenschaft besitze. Mit der Bezeichnung werde lediglich auf eine Eigenschaft des Produkts hingewiesen, die alle Lebensmittel der entsprechenden Gattung aufweisen. Im Streitfalle sei aus dem Zutatenverzeichnis und den weiteren Angeben ohne weiteres für den Verbraucher ersichtlich, dass es sich um ein Mischgetränk aus Wodka und einem Energydrink handelt. Eine entsprechende „energetische“ Wirkung des Getränks sei bei Energydrinks allgemein vorhanden. Sie sei keine „besondere Eigenschaft“ im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006.

Oder auf den Punkt gebracht: Der Verbraucher ist selbst in der Lage zu erkennen, dass es sich bei dem Getränk lediglich um Wodka mit Energydrink handelt.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes ist vollumfänglich zu begrüßen.

Wenn auch aufgrund der in den vergangenen Jahren immer umfangreicheren Regulierung im Bereich des Verbraucherschutzrechtes gegebenenfalls der Eindruck entstehen könnte, der Verbraucher sei aus Sicht des Gesetzgebers ein armes, hilfloses Wesen, das nicht in der Lage ist, eigenverantwortlich die einfachsten (Kauf-) Entscheidungen zu treffen, so macht das Urteil des obersten deutschen Zivilgerichtes wieder ein wenig Hoffnung, dass es vielleicht doch noch nicht ganz so schlimm um den gemeinen Verbraucher steht.

Rechtsanwalt Tobias Jani