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Essen und Recht

Warum Kaffee „bekömmlich“ sein kann, Wein jedoch nie!

„Edition mild“ – mit diesem Zusatz vermarktete eine Rheinland-Pfälzische Winzergenossenschaft ihren Wein, ergänzt mit dem Zusatz „sanfte Säure“. Auf dem Etikett stand zudem: „Zu mildem Genuss wird er durch Anwendung unseres besonderen LO3-Schonverfahrens zur biologischen Säurereduzierung“. Im Preisverzeichnis der Genossenschaft fand sich zusätzlich die Bezeichnung „sanfte Säure/bekömmlich“.

Dieser Zusatz war Grund genug für die zuständige Lebensmittelüberwachungsbehörde die Verwendung des Zusatzes „bekömmlich“ für alkoholische Getränke für unzulässig zu erklären, da sie gegen die Health-Claims-Verordnung der EU verstoße. Hiergegen klagte die Winzergenossenschaft erfolglos bis zum Bundesverwaltungsgericht. Dieser legte dem EuGH die Frage vor, ob der Zusatz „bekömmlich“ eine „gesundheitsbezogene Angabe“ im Sinne der VO 1924/2006 ist. Am 06.09.2012 bestätigte der Europäische Gerichtshof unter dem Aktenzeichen C-544/10 die Auffassung der Verwaltungsbehörde dahingehend, dass die Bezeichnung „bekömmlich“ als „gesundheitsbezogene Angabe“ bei alkoholischen Getränken über 1,2 Vol. % immer unzulässig sei und dieses Verbot auch dann ausnahmslos gelte, wenn diese Angabe für sich genommen zutrifft.

Hintergrund für diese auf den ersten Blick wenig nachvollziehbare Entscheidung ist Artikel 4 Abs. 3 der VO Nr. 1924/2006, wonach „Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Vol. % keine gesundheitsbezogenen Angaben tragen dürfen“. Hauptzweck dieser Verordnung ist der Gesundheitsschutz, der auch nicht durch Artikel 15 der EU Charta eingeschränkt wird, wonach jede Person das Recht hat zu arbeiten und einen freigewählten oder angenommenen Beruf auszuüben bzw. Artikel 16, der diese unternehmerische Freiheit schützt.

Grundsätzlich gilt, dass gesundheitsbezogene Angaben nach Artikel 5 der Verordnung nur zulässig sind, „wenn anhand allgemein anerkannter wissenschaftlicher Methoden nachgewiesen ist, dass das Vorhandensein, dass Fehlen oder der verringerte Gehalt des Nährstoffes oder der anderen Substanz, auf die sich die Angabe bezieht, in einem Lebensmittel oder einer Kategorie von Lebensmitteln eine positive ernährungsbezogene Wirkung oder physiologische Wirkung“ entfaltet.

Im vorliegenden Fall wird – so die Richter des EuGH – suggeriert, „dass der verringerte Säureanteil eine leichte Aufnahme und Verdaulichkeit des Weins nach sich zieht, mithin dass das Verdauungssystem, also ein Teil des menschlichen Köpers, darunter nicht oder wenig leidet und dass der Zustand dieses Systems selbst bei wiederholtem, also in größeren Mengen und langfristig erfolgendem Verzehr verhältnismäßig Gesund und in Takt bleibt“. Insofern kamen die Richter zu dem Ergebnis, dass die streitige Angabe geeignet ist, eine nachhaltig positive physiologische Wirkung vorzuspielen. Weiter stellten sie fest, dass selbst wenn diese konkrete Aussage inhaltlich zutreffen würde, sie doch „unvollständig, mehrdeutig und irreführend“ sei, da verschwiegen werde, „dass ungeachtet der guten Verdaulichkeit die mit dem Konsum alkoholischer Getränke zusammenhängenden Gefahren keines Wegs beseitigt oder auch nur begrenzt werden“, so die Richter am EuGH. Dadurch sei die Werbeaussage geeignet den Konsum zu fördern und letztendlich die mit einem übermäßigen Konsum alkoholischer Getränke einhergehenden Gefahren für die Gesundheit der Verbraucher zu erhöhen. Daher lasse sich das Verbot solcher Angaben mit der Notwendigkeit rechtfertigen, ein hohes Gesundheitsschutzniveau für den Verbraucher zu gewährleisten.

Mit dieser Begründung erklärten die EuGH Richter die Schranken des Artikel 4 Abs. 3 der Verordnung für verhältnismäßig. Angesichts des weiten Ermessens, dass dem Unionsgesetzgeber gerade im Gesundheitsschutz und darüber hinaus wohl auch im Verbraucherschutz konzediert wird, stellt die Entscheidung keine Überraschung da. Dies hat für die Praxis natürlich zur Folge, dass jegliche Werbebehauptungen, die auch nach weiter Auslegung einen Gesundheitsbezug nach sich ziehen bei alkoholischen Getränken für über 1,2 Vol.% unzulässig sind. Dies ist bei jeglichen werblichen Gestaltungen und Produktaussagen zukünftig zu berücksichtigen.

Werbeagenturen und Berater dürfen danach nicht von einem Leitbild eines aufgeklärten Verbrauchers ausgehen, sondern den strikten Wortlaut der Verordnung befolgen, mit der skurrilen Folge, dass – unter dem Vorbehalt der Zulassung der gesundheitsbezogenen Angaben durch die EU Kommission – diese gesundheitsbezogenen Angaben beispielsweise für Kaffee verwendet werden können, nicht jedoch für alkoholische Getränke.

Da auch in anderen Teilen der Verordnung (beispielsweise Artikel 5 Abs. 1 d) der Verordnungsgeber bei Aussagen „die Mengen des Produktes, deren Verzehr vernünftigerweise erwartet werden kann“, zugrunde legt, ist für den Berater allein schwer nachvollziehbar, weshalb dieser Grundsatz bei alkoholischen Produkten keine Anwendung findet.

Zumindest kann danach der Kaffee weiterhin entsprechend vermarktet werden.

Rechtsanwalt Tobias Vels